"Querdenker" lassen Masken fallen, Polizeiführung versagt

Original Veröffentlichung: „Querdenker“ lassen Masken fallen, Polizeiführung versagt | DEMOKRATIE IN BEWEGUNG - DiB

Samstag, 20. März 2021 in Kassel.

Beim Frühstück gab es nur eine dunkle Ahnung dass es ein denkwürdiger Tag wird.
Seit Anfang der Woche ist klar, dass die „Querdenker“-Bewegung in unserer Stadt demonstrieren will. Die Stadtverwaltung wollte die Demo verbieten, war an diesem Morgen aber auch in zweiter Instanz vor Gericht gescheitert.
Allerdings, das Gericht hatte hohe Auflagen für die Veranstaltung ins Urteil geschrieben. Schnell wird klar, dass die „Querdenker“-Organisatoren einfach weiter machen. Das konnte man öffentlich in diversen Chatgruppen nachlesen. Schon seit Wochen war bei anderen Demonstrationen zu sehen, dass bei den Corona-Leugner*innen eine zunehmende Radikalisierung im Gange war. Leipzig und Dresden waren eine deutliche Warnung.

Die örtliche Presse berichtet am Samstag morgen über die Hintergründe, am Ende des Artikels wird eine anreisende Teilnehmerin zitiert: „Geht mit einem Baby auf dem Arm in die erste Reihe wenn wir die Polizeikette stürmen. Sowas bringt Klicks, wenn die Polizei eine Frau mit Baby schlägt.“
Bis dahin hatte ich immer noch gedacht, dass Corona so viele Menschen benachteiligt und einige dabei auf merkwürdige Gedanken kommen. Nach diesem Satz wollte ich es genauer wissen. Ich war noch nie so nah an Menschen, die jegliche wissenschaftliche Erkenntnis verneinen, die Regeln, mit denen sie sich selbst und ihre Mitmenschen schützen sollen einfach ignorieren. Und es waren sicher um die 20.000 solcher querdenkenden Menschen, die nach Kassel kamen. Das Denken suche ich allerdings seit dieser Begegnung verzweifelt.
Was dann passierte, macht mich immer noch wütend. Schon Mittags war klar, dass die „Querdenker-Organisatoren“ mit einer Art Guerilla-Taktik die Polizei überrumpelt hatte.
Die Auflage, nur auf der Schwanenwiese zu demonstrieren, haben sie eingehalten. Aber das war ein Scheinmanöver. Denn gleichzeitig marschierten mindestens 3, eher 4 weitere große Gruppen auf verschiedenen Wegen in die Innenstadt. Abstand halten, Maske tragen? Nein, das haben sie einfach verweigert. Eine Gegendemonstration mit ca. 5.000 Teilnehmer*innen hielt sich an die Regeln, die Polizei sorgte für Abstand zwischen den beiden Gruppen.
Der Versuch der Polizei, die Regelverweigerer in Richtung Demonstrationsplatz abzudrängen, scheiterte schnell. Dabei wurde klar, dass viel zu wenig Einsatzkräfte vor Ort waren. Die Anwesenden versuchten sich in Deeskalation, was aber nur teilweise gelang. An verschiedenen Stellen kam es zu tätlichen Angriffen auf Polizist*innen und Journalist*innen, die Polizei setzte Pfefferspray, Gummiknüppel und auf der Fuldabrücke auch Wasserwerfer ein. Erst gegen Abend trafen weitere Polizist*innen zur Verstärkung ein und konnten dem Spuk ein Ende machen.

Dieser Tag liefert jedoch ausser schrecklichen Bildern vor allem wichtige Erkenntnisse:

  1. Die Corona Leugner haben es geschafft, ihr Potenzial an Menschen für Kassel zu mobilisieren. Ausgerechnet in der Stadt, die in den letzten Jahren mehrfach eindrucksvoll gegen Rechts aufgestanden ist und sich für eine sozialere Gesellschaft stark macht.
  2. Sie haben an diesem Tag endgültig die Masken fallen lassen. Mit dieser Aktion haben sie gezeigt, warum Reichsbürger, Identitäre und Teile der AfD so gern bei ihren Demos mitmarschieren. Sie lehnen den demokratischen Staat ab, sie missbrauchen die Grundrechte um ihre eigenen Regeln durchzusetzen, gemeinsam bilden sie einen Regeln und Gesetze ignorierenden Mob, der von einigen Wenigen im Hintergrund radikalisiert und angeleitet wird.
  3. Viele unter ihnen haben mehr als deutlich gezeigt, wes Geistes Kind sie sind. Judensterne mit der Aufschrift „Impfopfer“, rote Naziarmbinden mit dem Coronasymbol, Reichskriegsflaggen, die Behauptung von der Corona-Diktatur, alles da. Spätestens nach diesem Auftritt muss uns allen klar sein, dass es hier nicht um berechtigte Zweifel an Coronaauflagen geht. Hier ist ein rechter Mob unterwegs
  4. Am schwersten wiegt die Erkenntnis, dass die hessische Polizeiführung erneut bei einer rechtsradikalen Aktion komplett versagt hat. Die Einsatzleitung vor Ort wurde im Regen stehen gelassen. Innenminister Beuth duckt sich wie gewohnt weg und will erst mal nichts dazu sagen. Erneut wird klar, dass die hessische Polizeiführung eindeutig ein Problem mit rechtsradikalen Vorgängen hat.
    Seit Jahren wird in diesem Bundesland die Strafverfolgung von Nazi-Straftaten nicht mit dem nötigen Ernst verfolgt. Der sogenannte NSU ermordet in Kassel Halit Yozkat, im Raum nebenan sitzt ein Informant des Landesverfassungsschutzes. Der hört und sieht aber nichts, die Akten dazu wollte Innenminister Beuth für sagenhafte 70 Jahre sperren. Seit zwei Jahren werden Menschen in Hessen per E-Mail von einem ominösen „NSU 2.0“ bedroht. Eine Aufklärung ist bisher angeblich nicht gelungen.
  5. Nun also die Corona Leugner in Hessen. Da posiert eine Polizistin mit einer Maskenverweigerin Arm in Arm und formt lächelnd mit beiden Händen ein Herz. Bilder von solchen Sympathiebekundungen konnte man auf allen Kanälen sehen.
  6. Im Zusammenhang mit den Versuchen, das Corona-Virus einzudämmen wird nicht nur an diesem Tag ein weitgehendes Politikversagen deutlich. Es reicht eben nicht, die seit dem Jahr 1400 bekannten Pandemieregeln wie Quarantäne anzuwenden. Wir brauchen Ideen, Visionen und klare Vorschläge, wie wir in Zukunft mit Covid-19 leben können. Es braucht dazu auch bundeseinheitliche Regeln, an die sich alle halten müssen. Davon sind alle verantwortlichen Parteien in Landes- und Bundesregierung meilenweit entfernt.

15 Like

Mein Brief. Sollte eine Antwort kommen, poste ich sie hier.


Sehr geehrter Herr Minister Beuth,
sehr geehrter Herr Kollege,

die Bilder vom Wochenende in Kassel haben mich diesmal sehr wütend gemacht und haben nicht nur wie vielfach zuvor verständnisloses Kopfschütteln ausgelöst über das, was Querdenken so mit sich bringt.

Wütend und sprachlos hat mich gemacht, daß Sie es trotz aller vorhergehenden Anzeichen nicht vermocht haben, eine illegale Demonstration mit Schulterschlüssen rechter Gruppierungen, die sich noch dazu in gesundheitsgefährdender Weise über alle Hygieneregeln hinwegsetzt, einzudämmen, zum Stillstand zu bringen, die Verantwortlichen festzunehmen, Platzverweise zu erteilen und die Personalien der Teilnehmer eine nach der anderen festzustellen, um später gegen sie wenigstens Verfahren nach OWiG eröffnen zu können.
Sie meinen, das seien bürgerliche Kreise? Sie meinen vielleicht, daß Sie keine Bilder produzieren wollen, in denen Ihre Beamten, diese „bürgerlichen Kreise“ nur mit körperlicher Gewalt bändigen können (weil sie so bürgerlich vielleicht gar nicht sind, sondern gewalttätig, rücksichtslos und demokratieverachtend?)?
Ich bin sicher nicht dafür, wahllos auf Demonstranten einzuprügeln, nur weil die an einem nicht genehmigten Aufzug teilnehmen. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß bzgl. der „CoronaLeugner/Kritiker“ mit einer Nachsicht agiert wird, die in Deutschland einmalig ist. Wie soll ich den Rechtsstaat weiterhin verteidigen (was ich mit großer Leidenschaft gegen viele Widerstände mache), wenn mit grober Gewalt Radfahrer behandelt werden, die ebenfalls unangemeldet auf der Straße stehen, um den anderen unangemeldeten Menschen den Weg freizuräumen? Um dann mit diesen zu posieren? Herzchen anzunehmen? Wo war das Polizeiaufgebot, das sonst bei jeder noch so harmlosen Demo aufgefahren wird, wenn es eher „Linke“ sind, die eine Demo anmelden und noch dazu auf der angemeldeten Strecke bleiben? Warum habe ich Angst eingekesselt zu werden, wenn ich gegen rechts demonstriere?
Wenn Sie die wirklich bürgerlichen Menschen, die sich selbst dann an Regeln halten, wenn sie unlogisch oder widersprüchlich sind, auch noch für Politik verlieren wollen, dann machen Sie und Ihre Innenministerkolleg*innen ruhig so weiter.
Ich verstehe es einfach nicht, warum sich diese Demobilder wieder und wieder wiederholen können. Und alle tun überrascht? Wenn ich mich ständig bei meiner Arbeit so überraschen lassen würde, dann hätte ich weder einen Kanzleibetrieb noch überhaupt eine Zulassung.
Sie, und zwar Sie ganz persönlich, sind mit zuständig dafür, daß das endet, bevor es wieder beginnt. Und ich meine wirklich „es“ in seiner schlimmsten Form: demokratieverachtende Gewalt unter den Augen eines dies billigenden größeren Teil unserer Gesellschaft.
Ist das, was Sie in Kauf nehmen wollen, um Bilder zu vermeiden von Polizeibeamten, die randalierende Menschen in scheinbar bürgerlichem Outfit in Gewahrsam nehmen?
Wenn ich mein Recht auf Selbstverteidigung aus guten und nachvollziehbaren Gründen an das staatliche Gewaltmonopol abtrete, dann habe ich das Recht, dafür Schutz zu erhalten und zu fordern, daß denjenigen, die dieses Gewaltmonopol mißachten, deutlich und konsequent Einhalt geboten wird. Es ist Ihre reziproke Pflicht, das auch umzusetzen.
Sie haben nicht nur als Minister diesen Eid geschworen „Ich schwöre, daß ich das mir übertragene Amt unparteiisch nach bestem Wissen und Können verwalten sowie Verfassung und Gesetz in demokratischem Geiste befolgen und verteidigen werde.“, sondern Sie sind auch als Rechtsanwalt und damit Organ der Rechtspflege dazu verpflichtet, die Rechtsordnung zu wahren und sie nicht zu beschädigen. Wenn Sie das nicht können (oder nicht wollen), dann wäre es an der Zeit, Ministeramt und Zulassung zurückzugeben.
Mit kollegialer Hochachtung
Ute Walter
Rechtsanwältin in Hamburg
Alte Elbgaustr. 8b, 22523 Hamburg

21 Like

Wow. @WUte Das nenne ich mal ein Statement. Meine Hochachtung. Es wird höchste Zeit, dass wir alle, wirklich alle, die wir die ernste Gefahr erkennen können, eine unüberbrückbare Mauer um die rechte Gesinnung und ihre Vertreter und Mitläufer ziehen. Denn, ändern werden sich nur noch die wenigsten.

Auch der Blog-Text, lieber @kreichenbach-01 ist richtig gut und man spürt die persönliche Betroffenheit. Dadurch wirkt er viel tiefer und nachhaltiger.

7 Like

Liebe @WUte,
ich finde, Du solltest das als offenen Brief herausgeben.
Ich, als Nicht-Jurist, aber von denselben Befürchtungen und Einschätzungen wie Du Betroffener, bin mir sehr sicher, dass da viel Unterstützung kommt. Zudem erhöht es den Druck auf eine Antwort.

13 Like

Zuerstmal an @kreichenbach-01:
Super! Das hast du echt gut geschrieben.
So einen Text wollte ich auch am Sonntag schreiben.
Aber ich habe echt zu wenig Zeit und nicht so gute Gedanken. Du hast mir „voll aus der Seele gesprochen“.

Dann zu @WUte:
Klasse! Dein Brief ist sehr gut. Da muss sich unsere hessische Regierung viel Fragen gefallen lassen. Und Mensch sieht Mal wieder, das eine CDU, wenn auch mit den Grünen zusammen, doch nur „Anfänger in Sachen Politik“ ist.

Wir müssen in Zukunft „wacher“ werden. Die Verteidigung unserer freiheitlichen Demokratie, verlangt von uns Engagement.
Im „Benennen“ der Problematik und im „Einschreiten gegen den Alltagsrassismus“.
Unsere Partei ist wichtiger denn je.

Und alle Arbeit, die wir jetzt haben ist „Schön“ und bringt uns Geld. Aber sie darf uns nicht helfen, die Augen zu verschliessen, und weitermachen, wie bisher.

Probleme unserer Gesellschaft zu sehen, Probleme zu benennen, und dagegen zu arbeiten, ist unsere Aufgabe in dieser Gesellschaft.
Vielleicht ist das schon „progressive Politik“.

2 Like

Ganz sicher gibt es bei den „Querdenkern“ manche Wirrköpfer, Hetzer und Kriminelle. Wenn die jedoch manchmal zu Zigtausenden die Straßen und Plätze bevölkern, muss man sich schon fragen: "as ist da verkehrt gelaufen? Wie ernst meinen es die sich demokratisch nennenden Parteien tatsächlich mit der Demokratie? Ich denke da nicht nur an die Leute, die wegen ihrer dubiosen Maskengeschäfte aus- und zurückgetreten wurden.

In einigen früheren Beiträgen hatte ich bereits auf die Versäumnisse zu Beginn der Pandemie verwiesen. Warum wurde nicht frühzeitig entschlossen gehandelt? SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hat darauf eine plausible Antwort:

Na toll! Wenn die Politik so mit ihren Bürgern, die man wohl zutreffender als Untertanen bezeichnen sollte, umgeht, dann liegt die Demokratie auf dem Sterbebett. Warum also vertraute unsere Obrigkeit nicht den Menschen abstatt zu versuchen, ihnen zeitlich und räumlich begrenzte strikte Maßnahmen zu erläutern? Bei mir ist der Ofen endgültig aus!

Was ist da verkehrt gelaufen? Nazis laufen und ziehen viele mit!
Hinter den meisten „Kritiken“ stecken antisemitische Denkmuster, deshalb verstehen sich Impfgegner*innen, Homöopath*innen, Schwurblersonnewirdschonrichten-Anbeter*innen, Demokratieverächter*innen, Verschwörungsdenkende und sonstige Leugner*innen von was auch immer so gut.

Wer immer noch nicht verstanden hat, wer da die Fäden zieht, dem ist nicht zu helfen. Aber vielleicht verstehen es ja viele und machen genau deshalb mit.
Dazu ganz aktuell:

11 Like

Tut mir leid, aber dieses Verständnis für Menschen, die jegliche wissenschaftliche Erkenntnis verneinen geht einfach nicht.
Wenn Du an Corona und der damit verbundenen Pandemie Zweifel hast und glaubst, das kriegen die Menschen auch einfach mal so hin: dann empfehle ich Dir ein paar Unterhaltungen z.B. mit Menschen in der italienischen Provinz Lombardei. Da gibt es in jeder Familie jemanden, der mindestens schwer erkrankt, wenn nicht gar gestorben ist.
Wenn Du meinst, die Verordnungen und Regeln der Bundesregierung bzw. der Bundesländer seien zu hart, auch dann kann ich Dir ein Gespräch mit Menschen in Italien empfehlen.
Meine Freund*innen dort sind über die sich selbst so nennenden „Querdenker“ jedenfalls nur entsetzt und betrachten Demos wie vor einer Woche in Kassel mit Fassungslosigkeit.

Die Interpretation aus der Lauterbach - Äußerung ist definitiv falsch. Er hat es verkürzt formuliert. Tatsächlich gemeint ist das Problem, das die Entscheidungsträger*innen sich (auch jetzt noch) nicht trauen, bundesweit einheitliche Regeln einzuführen und (!) deren Befolgung auch durchzusetzen.
Ein klarer echter Lockdown mit anschließender kontrollierter Öffnung bei gleichzeitig vielen Impfungen wäre der korrekte Weg. Hätte man spätestens ab Januar machen können.
Echter Lockdown bedeutet: Betriebe schliessen, Schulen, eigentlich alles bis auf wenige überlebensnotwendige Systemreleventante Organisationen plus Ausgangssperre.

7 Like

Das Schlimmste daran sind die mittlerweile zwischen „Querdenkern“ und Ultrarechten geschmiedeten Allianzen, deren erklärtes Ziel die Destabilisierung unseres Demokratiesystems ist. Es ist erschreckend, wieviel Aufmerksamkeit und neuen Zulauf sie bekommen, womit sie zu einer immer größeren Gefahr für unser Land werden! Wer daran noch Zweifel hat, sollte sich Medienberichte wie diese zu Gemüte führen:

https://marktplatz.bewegung.jetzt/t/querdenker-lassen-masken-fallen-polizeifuehrung-versagt/37539/7

https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2021/03/28/rechte-allianz-im-erzgebirge_30696

4 Like

Ach ja, dazu gäbe es jedesmal unendlich viele Informationen.
Eine geht noch… Geld verdienen weil man quer denkt?

1 Like

Neulich bei »Anne Will« sagte die Kanzlerin, eine Möglichkeit sei, »das Infektionsschutzgesetz noch mal anzupacken und ganz spezifisch zu sagen, was muss in welchem Fall geschehen«.

Was heißt „noch mal anzupacken“ – ist es denn schon einmal „angepackt“, sprich genutzt worden? Es bleibt immer nur bei Worten. Um gegen die Ministerpräsidenten „durchzuregieren“, bedarf es nur des Muts. Die gesetzlichen Möglichkeiten dazu gibt es.

Sie ergeben sich aus Artikel 74 GG Absatz 1, wo geregelt ist, in welchen Bereichen (im Sinne der konkurrierenden Gesetzgebung) – abweichend von der Grundregel, dass für die Gesetzgebung die Länder zuständig sind – dem Bund das Gesetzgebungsrecht zusteht. In Frage käme hier der Bereich gemäß Ziff 19: „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren …“. – Und dazu wäre (anders als in den Bereichen 25 und 27) nicht einmal die Zustimmung des Bundesrats erforderlich.

Demgemäß könnte also der Bundestag nicht nur die Voraussetzungen, sondern auch den Inhalt, die Länge und sonstige Details eines Lockdowns (oder was auch immer) per Bundesgesetz beschließen, ohne dass vorab in mühsamen und zeitaufwändigen Verhandlungen bei einem Krisengipfel eine „Einigung“ (auf der Basis fauler Kompromisse) mit den Ministerpräsidenten herbeigeführt werden müsste.

Im Übrigen könnte ich mir vorstellen, dass es noch weitere Gesetze gibt, aus denen sich Handlungsgrundlagen ableiten ließen – Katastrophenschutz? Infektionsschutz? ich kenne mich da nicht aus–, wenn es wirklich gewollt wäre. Dass diese Möglichkeiten nicht in Anspruch genommen werden, sieht mir nach „Feigheit vor dem Feind“ aus. Die Frage ist nur, an welche „Feinde“ dabei (abgesehen von den Wähler*innen) gedacht wird . . .

1 Like

Kurz habe ich überlegt, einen neuen Thread unter dem Titel „Wohin mit all der Wut und all dem Frust“ aufzumachen, aber vielleicht passt das ja doch auch hierher:

Beim Einkaufen traf ich eine gute Bekannte. Wir sprachen über die allgemeine Lage, über das Unverständnis über manche (oder viele) der derzeitigen Einschränkungen, die oft unlogisch erscheinen, über den Eindruck, dass es nur darum geht, die Wirtschaft am Laufen zu halten, und gar nicht so sehr um die Menschen an sich, über das müde werden nach monatelangem „Halblockdown“, der aber eben auch Freiheiten einschränkt, aber offensichtlich wenig bis nichts bringt, über die Kulturszene, die in diesem „kapitalistischen System“ keine Bedeutung und keine Lobby hat, wo Existenzen auf dem Spiel stehen oder schon weggebrochen sind, über eine gemeinsame Bekannte, die in Paris lebt, dort zwischen 19 Uhr und 6 Uhr zu Hause „eingsperrt ist“, und darüber, dass dieser doch sehr harte Eingriff in das Privatleben letztlich kaum etwas oder gar nichts bringt, da die Zahlen auch dort weiter steigen …

„Mir reicht’s jetzt, ich geh jetzt zu den Querdenkern!“ sagte sie irgendwann während des Gesprächs. Ich konnte ihr aufzeigen, dass das keine so gute Idee ist. Schließlich war sie früher mal in der Antifa-Szene unterwegs. :wink: „Aber was mache ich jetzt, wohin mit meinem Frust und meinem Zorn über das alles, die Maßnahmen, aber auch über dieses System, das diese Maßnahmen unverhältnismäßig einsetzt, ganze Bevölkerungsschichten vernachlässigt, noch gar nicht zu sprechen von den Menschen im globalen Süden, die sich nicht einmal impfen lassen können, Hauptsache wir im Westen können uns impfen lassen“ usw. Sie arbeitet in der Pflege. Sie verharmlost den Virus nicht.

Ja, wohin damit? Ich glaube, dass - nicht falsch verstehen, es geht nicht um Rechtfertigung, sondern um Erklärung - viele oder zumindest einige sich auf diesen Demos tummeln, wo sie sich mit ihrem Zorn und ihrem Frust gehört und verstanden fühlen. Weil es scheinbar nichts anderes gibt.

Wohin damit? Welche Alternativen gibt es? Querquerdenker-Demos organisieren? Wie sich Ausdruck verleihen, ohne Gefahr zu laufen, in die falschen Kreise hineingezogen oder hineininterpretiert zu werden?

Ich konnte ihr spontan keine vernünftige Antwort geben.

3 Like

Einfache Antwort: Gegendemos!

Da kann man a) gegen den Regulierungsbullshit der Regierenden und b) gegen Quatschdenker und c) gegen Nazis demonstrieren. Drei zum Preis / Aufwand von Einem.

6 Like

wäre ne Möglichkeit … wenn sich das irgnedwie gut darstellen lässt … das hier hab ich gerade noch entdeckt:

4 Like

vor den Spiegel.
Mit der ehrlichen Frage an sich selbst:
bin ich ein gehetztes Tier, dass abwährend, animalisch beissen muss, weil ich wegen der Einschänkung meiner ‚Komfortzone‘ nicht mehr atmen kann,
oder kann ich das rational verarbeiten - und mich - wo’s sein muss einfügen (konstruktive Kritik nicht ausgeschlossen) ?

5 Like

Somit mussten wir die Zahlen steigen lassen…

Ich versuche mir vorzustellen, die zu einem Entstehungsbrand gerufene Feuerwehr wartet zunächst erst einmal ab, bis der Leidensdruck groß genug ist, damit sich niemand über Löschwasserschäden beschwert. Wenn Politiker und Experten den Menschen nicht trauen - warum sollte man im Gegenzug ihnen vertrauen?

@kreichenbach-01:
Es ist ganz sicher schrecklich, was sich da z.B. in der Lombardei ereignet hat. Das will ich keineswegs in Frage stellen. Um dem jedoch wirksam zu begegnen, hätte es eines weltweiten Frühwarnsystems oder zumindest eines solchen auf nationaler Ebene bedurft. Der Verdacht, dass in der chinesischen Provinz Wuhan etwas zu forsch geforscht wurde, ist wahrlich nicht neu. Im Falle eines Falles wären zunächst einmal strikte Einreisekontrollen angesagt gewesen, um das Einschleppendes Virus zu verhindern. Aber:

In Berlin liegt die Zahl der bestätigten Infizierten aktuell bei 332. Ärzte betreuen 20 Erkrankte, drei davon intensivmedizinisch. Tausende sind in Quarantäne, darunter (als Vorsichtsmaßnahme) auch Xhains Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Um weitere soziale und damit virale Kontakte zu verhindern, will sich der Senat nach Tagesspiegel-Informationen heute dazu entscheiden, Shopping-Malls zu schließen, Restaurants nur noch bis 18 Uhr zu öffnen und Kundgebungen mit mehr als 50 Personen unter freiem Himmel zu verbieten. Unterdessen reisen in Schönefeld und Tegel noch immer Menschen aus Corona-Krisenländern ein. Ohne Fieber-Screening, ohne Gesundheits-Check. Und keinen juckt’s.
Tagesspiegel-Newsletter „CheckPoint“ vom 17.3.2020

Mindestens zwei Monate wurden so vertrödelt. Wenn man richtig clever gewesen wäre, hätte man die Bedrohung bereits im Herbst 2019 erkennen können. Was soll jetzt noch ein Lockdown bringen? In öffentlichen Einrichtungen wie Gaststätten, Geschäften und Parks kann man die Menschen noch einigermaßen kontrollieren. So grotesk es auch anmutet, wenn ein Polizist mit dem Zollstock die Abstände von auf einer Parkbank sitzenden Personen nachmisst, so ist es doch irgendwie rational nachzuvollziehen. Wenn man aber den Bürgern generell die Bank am Rheinufer verwehrt - wo halten sie sich dann auf? Ich schätze mal, bei heimlichen Zusammenkünften im Verborgenen ist das Ansteckungsrisiko ungleich höher als bei einer Querdenker-Demo im Freien. Polizei und Ordnungsämter haben nicht einmal annähernd das Personal für eine allgemeine Volkskontrolle. Bin kürzlich auf eine Aussage unseres früheren brandenburgischen Innenminsters Dietmar Woidke gestoßen, mit der er den damals geplanten Stellenabau bei der Polizei rechtfertigte. Irgendwie hat er später als MP doch gemerkt, dass das keine so gute Idee war.

Die Versäumnisse der letzte Jahre lassen sich nicht mehr durch hektischen Aktionismus ausbügeln. Es bedarf vielmehr eines offenen Dialoges zwischen Regierenden und Regierten. Eben auch mit den Skeptikern, sofern sie dazu bereit sind. Noch ein Gedanke zum Schluss: Die Zahl der positiv Getesteten steigt zwar stetig. Wie sieht es jedoch mit der Zahl der Tests insgesamt aus? Habe mich bemüht, darüber etwas auf den Seiten des RKI in Erfahrung zu bringen, allerdings nichts gefunden.

Vielleicht gibt es hier etwas?
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Testzahlen-gesamt.html

1 Like

Das Problem liegt woanders. Es gibt, weltweit und auch in Deutschland, seit langem solche Warnsysteme. Weltweit bei der WHO, im Lande macht das ds RKI.
Die WHO hat gewarnt. Zu spät deshalb, weil die chinesische Regierung ihre Mediziner*innen und Virolog*innen mundtot im wahrsten Sinne des Wortes gemacht hat und zur Herkunft des Virus bis heute konkrete Informationen verweigert. Allerdings haben Wissenschaftler*innen der WHO im Raum Wuhan von 2 Wochen einen grundlegenden Virusüberträger erkannt: Fledermäuse.
Eine Logik-Erklärung noch zu den Vermutungen, das Virus sei im Labor gezüchtet worden. Es ist zwar weltweit verboten, biologische Waffen zu züchten, geforscht wird daran trotzdem. ABER: wer so was züchtet, baut immer einen „Point of return“ ein. Denn ohne so einen Sicherheitspunkt wären auch die Entwickler von Virenwaffen des Todes. So was kann Heute aber jede*r Virologin herausfinden und nachweisen. Das scheidet bei Corona somit aus.
Beim RKI sieht es ähnlich aus. Einen grundlegenden Pandemieplan gibt es dort seit 2007. Danach hätte es z.B. nie passieren dürfen, das in Deutschland nicht genug Schutzmasken vorrätig waren.
Hat nur keiner mehr (weder Politik, noch Verwaltung) mit einer Pandemie gerechnet.

Die Infos über Italien hatten einen tieferen Sinn. Ich lese leider auch hier auf dem MP verharmlosendes zu sogenannten „Querdenkern“ oder das wir Bürger*innen erschöpft sind und endlich wieder unsere bürgerlich-demokratische Freiheit wollen.
Wir haben hier de facto kaum Beschneidungen. Wir dürfen uns im Land frei bewegen, wir dürfen die Wohnung wann und wie wir wollen verlassen. 70% der Wirtschaft läuft weiter als wäre nix gewesen.
Was wir hier als Lockdown haben ist im Vergleich zu einem echten Lockdown ein Kinderspiel.
Und ja, da wo ein bischen Lockdown ist, triftt es die Menschen, die sowieso schon schwer benachteiligt sind. Die Langzeitauswirkungen auf Kinder, Jugendliche, Kultur und unser soziales Miteinander werden mehr als heftig sein.

Zielführender, nicht nur in unserer Diskussion, wäre aber, wenn wir alle uns wirklich innovative Gedanken über den zukünftigen Umgang und unser Leben mit Corona machen würden. Denn das Virus ist gekommen um zu bleiben. Die Verwaltungsträgheit in den G20 Industrieländern macht das nur noch schlimmer. Wir brauchen endlich ein wirksames und deutlich beschleunigtes Zusammenspiel zwischen Testen, Kontrollieren, Nachverfolgen und Impfen.
Und eine Strategie, wie wir in Zukunft mit Corona leben wollen sollten wir jetzt entwickeln statt von einem „zurück zum normal“ zu träumen. (Vom Klimawandel mal ganz zu schweigen).

8 Like

Der Text von Rene Engel ist gut.
Er spricht mir aus dem Herzen.
Ich weiß nicht, ob Demos der richtige Weg ist.
Ich würde vorschlagen, das wir uns in Gruppen, leider nur digital, treffen und Informationsaustausch betreiben. Dabei sollten auch Menschen sein die Mal über den Tellerrand schauen, sprich schauen, wie die europäischen Nachbarländer das lösen.
Und wir sollten uns überparteilich treffen und übergesellschaftlich. Wir sollten hören, was andere Berufsgruppen sagen. Menschen, die in dem Beruf arbeiten, nicht nur verwalten.
Ich glaube, dann finden wir viele Antworten auf die Fragen, die Rene Engel stellt.

Und Ja, ich gebe auch @kreichenbach-01 Recht. Er sieht das Thema Vorausschauender, umfassender.
Und selbstverständlich müssen wir miteinander reden. Nicht die schweigende Mehrheit findet die Lösung, sondern die möglichst breit informierte Gesellschaft.

Und wenn wir alles beredet haben, uns umfangreich informiert haben, müssen Arbeitsgruppen kommen und die Aufgaben, die entstehen auch umsetzen.

Und parallel sollte eine Gruppe, die Aufgaben, die umgesetzt werden überprüfen, ob die Ziele die angepeilt sind, auch wirklich erreicht werden.

1 Like