Masterplan Migration
Maßnahmen zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung
22.06.2018
Horst Seehofer, Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union
Inhaltsverzeichnis
Präambel
1.Handlungsfeld Herkunftsländer
2.Handlungsfeld Transitländer
3.Handlungsfeld Europäische Union
4.Handlungsfeld Inland / national ◦Binnengrenzen / Schengen
◦Asyl- und ausländerrechtliche Verfahren
◦Integration
◦Rückkehr
Präambel
Die Herausforderungen weltweiter Migration erfordern ein System der Ordnung.
Diesem Masterplan liegt die überzeugung zugrunde, dass unser Land seine Verantwortung nach Außen nur wahrnehmen kann, wenn zugleich der Zusammenhalt im lnnern erhalten bleibt.
Die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft setzt Ordnung und Steuerung von Migration voraus. Kein Land der Welt kann unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen. Erfolgreiche Integration kann nur gelingen mit einer Begrenzung von Zuwanderung. Das ist die Kernbotschaft des Koalitionsvertrages.
Ordnung braucht klare Vorgaben:
Wir erwarten, dass Antragsteller an ihrem Asylverfahren aktiv mitwirken. Wir wollen verhindern, dass Personen während oder nach einem Asylverfahren untertauchen oder ihre wahre Identität verschleiern. Das Ersuchen um humanitären Schutz und das Begehen von Straftaten schließen sich grundsätzlich aus.
Menschen ohne Bleiberecht müssen unser Land verlassen. Einer Pflicht zur Ausreise muss eine tatsächliche Ausreise folgen.
Die konsequente Durchsetzung des Rechts sichert das Vertrauen in den Rechtsstaat. Die Akzeptanz von Asylverfahren hängt wesentlich davon ab, dass abschlägige Bescheide auch tatsächlich wieder zur Ausreise der Antragsteller führen.
Wir wollen keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Unsere Sozialleistungen dürfen keinen Anreiz für den Zuzug nach Deutschland bieten. Deswegen muss die Ausgabe von Sachleistungen gegenüber Geldleistungen Vorrang haben.
Die große Aufgabe der Integration kann nur gelingen, wenn von vorneherein feststeht, auf wen und auf was sie sich bezieht. Sie bezieht sich auf Menschen mit Bleibeperspektive, nicht auf alle, die gekommen sind. Und sie bezieht sich auf unsere Werteordnung, die den Zusammenhalt der Gesellschaft ausmacht.
Integration erfordert Mitwirkung, die wir künftig noch entschlossener einfordern wollen. Wir können in diesem Zusammenhang stolz auf das vielfältige ehrenamtliche Engagement unserer Gesellschaft sein.
Deutschland braucht gut ausgebildete und qualifizierte Fachkräfte. Dies gilt es nach klaren Regeln zu steuern. Damit wird auch legale Zuwanderung ermöglicht. Die vor uns liegenden Aufgaben sind vielfältig.
Sie erfordern Maßnahmen in den Herkunftsländern, Maßnahmen in den Transitländern, Maßnahmen auf Ebene der Europäischen Union und Maßnahmen in Deutschland. Diese vier Handlungsfelder bilden den Rahmen dieses Masterplans.
Wir haben hier in den vergangenen Jahren einiges erreicht. Darauf bauen wir auf. Zur Entwarnung gibt es jedoch keinen Anlass. Der Migrationsdruck an den Außengrenzen Europas hält weiter an. Die Entscheidung, wer nach Deutschland kommt und wer nicht, dürfen wir nicht kriminellen Schleppern überlassen.
Viele nationale Maßnahmen bedürfen noch der Verbesserung, so insbesondere die konsequente Abschiebung, die Erfolgsquote der Integrationskurse und schnelle und sichere Asylverfahren.
Die Umsetzung dieses Masterplans muss stets die Gesamtentwicklung der Zuwanderung berücksichtigen. Es gilt der im Koalitionsvertrag vereinbarte Zuwanderungskorridor von 180.000 bis 220.000 Schutzsuchenden im Jahr.
Hilfe vor Ort in den Herkunfts- und Transitländern durch Stärkung der Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit ist der humanste und wirksamste Weg, Fluchtursachen zu begegnen und Bleibe- und Zukunftsperspektiven für die Menschen zu schaffen.
Die Verantwortung gegenüber der Stabilität des Staates gebietet Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung . Der Masterplan steht für dauerhafte Ordnung und Steuerung von Migration. Er sichert die Balance aus Hilfsbereitschaft und den tatsächlichen Möglichkeiten unseres Landes. Er ist somit geeignet, die Spaltung unserer Gesellschaft zu überwinden.
Um die im Koalitionsvertrag festgelegten Ziele zu erreichen, bilden die 63 Maßnahmen dieses Masterplans den migrations- und flüchtlingspolitischen Leitfaden des Bundesministeriums des lnnern, für Bau und Heimat.
Sollten die genannten Ziele wider Erwarten durch nationale oder internationale Entwicklungen gefährdet sein, müssen weitere Maßnahmen in Betracht gezogen werden.
Es gilt das Versprechen, die Zahl der nach Deutschland und Europa flüchtenden Menschen nachhaltig und auf Dauer zu reduzieren, damit sich eine Situation wie die des Jahres 2015 nicht wiederholen wird und kann.
I. Handlungsfeld Herkunftsländer
Politische Ziele
Flucht und Migration sind eine langfristige und weltweite Herausforderung, ausgelöst durch Krisen, Kriege, Hunger, Armut und Perspektivlosigkeit. 90% der Flüchtlinge leben in den Kriegs- und Krisengebieten und finden Aufnahme in Entwicklungsländern. Deutschland tut bereits viel und wird seinen Einsatz vor Ort weiter verstärken, denn Hilfe vor Ort ist der humanste und wirksamste Weg, Fluchtursachen zu begegnen und Bleibe- und Zukunftsperspektiven für die Menschen zu schaffen. Deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist unseren Interessen und Werten verpflichtet. Mitmenschlichkeit ist für uns nicht verhandelbar.
Wir bekennen uns ohne Einschränkung zur Armutsbekämpfung. Zugleich muss jede Regierung, die entwicklungspolitisch enger mit uns kooperieren will, wissen, dass wir an ihr Handeln strenge Maßstäbe anlegen, etwa mit Blick auf die Achtung der Menschenrechte oder den Kampf gegen die Korruption. Auch die Zusammenarbeit zur Abwehr der Kriminalität, des Schleusertums, der illegalen Migration und bei der Rücknahme abgelehnter Asylbewerber ist wichtiger Bestandteil der Kooperation mit unseren Partnerländern.
Der Marshallplan mit Afrika ist das Handlungskonzept zur Zusammenarbeit mit den afrikanischen Partnerländern. über Reformpartnerschaften, die auf dem Ansatz des Förderns und Forderns beruhen, treiben wir die Entwicklung ausgewählter Partnerländer gezielt voran. Denn von einer erfolgreichen Bewältigung der großen Herausforderungen Afrikas hängt auch die Zukunft Europas ab.
Die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern muss ausgebaut werden. Die ODA-Quote (Official Development Assistance) darf daher nicht, wie im Finanzplan bis 2022 vorgesehen, absinken. Es geht um überlebenshilfe und Aufbau von Infrastruktur in den Krisengebieten, aber insbesondere auch um langfristige Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit wie Armutsbekämpfung, wirtschaftliche Entwicklung, Bildung und Ausbildung, Klimaschutz, Gleichberechtigung der Frauen, gute Regierungsführung und die Wahrung der Menschenrechte.
Deutschland kann die Herausforderungen aber nicht alleine bewältigen.
Notwendig sind ein wesentlich stärkeres finanzielles Engagement der Europäischen Union und eine Neugestaltung fairer Handelsbeziehungen.
Maßnahmen
-
Verringerung der Fluchtursachen: Durch die Ausweitung der Maßnahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit wie beispielsweise den Aufbau von Infrastruktur und Investitionen in Bildung und Beschäftigung.
-
Temporäre Beschäftigung sichern: Wer ein Auskommen hat, flieht nicht aus seiner Heimatregion. Wir werden unsere “Beschäftigungsoffensive Nahost” verstetigen und ausweiten. Wir verstärken damit die Maßnahmen für die Rückkehr von Millionen von Binnenflüchtlingen in den Fluchtländern.
-
Schulbesuch in den Herkunftsregionen gewährleisten: Familien ziehen weiter, wenn ein Schulbesuch ihrer Kinder nicht mehr möglich ist. Umgekehrt gilt: Familien werden zögern in ihre Heimat zurückzukehren, wenn keine Ausbildung für ihre Kinder möglich ist. Wir werden daher unser Engagement im Bildungsbereich weiter ausbauen.
-
Dauerhaft Arbeitsplätze schaffen: Mit unserer Sonderinitiative „Ausbildung und Beschäftigung“ setzen wir auf eine neue gezielte und vernetzte Zusammenarbeit von und mit Unternehmen. Der Schwerpunkt liegt auf der Region des Maghreb und den afrikanischen Reformpartnerländern.
-
Mit einem Entwicklungsinvestitionsgesetz werden wir verbesserte Rahmenbedingungen für private Investitionen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und neue Formen der Ausbildungs- und Technologiekooperationen schaffen.
-
Beratung zur freiwilligen Rückkehr und Reintegration: Künftig soll das BAMF Asylbewerbern ein Angebot zur freiwilligen Rückkehrberatung unterbreiten. Generell sollte Rückkehrberatung einheitlichen Zielsetzungen und Standards folgen. Hierfür wird es für jedes Zielland bundesweit einheitliche Angebote geben. Dabei ist auch der Konnex zur Beratungs- und Angebotsstruktur des BMZ in den Herkunftsländern herzustellen. Das BMZ wird Rückkehrwilligen einen Einstieg in Qualifizierungsangebote schon in Deutschland anbieten. Diese sollen nicht aufenthaltsverlängernd wirken, sondern vielmehr einen Neustart im Herkunftsland erleichtern.
-
Beratungs- und Betreuungszentren ausbauen: Unsere acht Beratungszentren in Irak, Kosovo, Ghana, Serbien, Albanien, Tunesien, Marokko und Senegal koordinieren Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramme vor Ort. Diese Beratungsleistung bieten wir auch Rückkehrern aus Deutschland an. Zudem wird über die Gefahren der illegalen Migration und die Möglichkeiten einer legalen Zuwanderung nach Deutschland und Europa informiert. Wir wollen in Hauptherkunftsstaaten weitere bewährte Reintegrationsangebote aufbauen sowie Beratungszentren errichten und das Angebot der örtlichen Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramme weiter erhöhen. BMZ und BMI werden einen gemeinsamen Aktionsplan zur freiwilligen Rückkehr und Reintegration erarbeiten und umsetzen.
-
Haushaltsaufstellung 2019 und Finanzplan bis 2022: Die genannten Maßnahmen erfordern zusätzliche HaushaltsmitteL Die staatliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA-Quote) darf nicht absinken. Auf ihrer jetzigen Basis müssen die Mittel weiter gesteigert werden. Hieraus ergibt sich - über die Eckwerte hinaus- für das Jahr 2019 ein zusätzlicher Gesamtbedarf für den Einzelplan des BMZ in Höhe von 880 Mio. Euro. Außerdem werden Verpflichtungsermächtigungen für die nachfolgenden Haushaltsjahre benötigt, um belastbar planen zu können. Zugleich ist erforderlich, für komplementäre rückkehrbezogene Projekte des BMI im Rahmen des Aktionsplans von BMI und BMZ den Haushaltsansatz für die internationale Projektarbeit des BAMF in Herkunftsländern bis 2020 schrittweise anzuheben. Hierfür werden BMI und BMZ gemeinsam eintreten.
-
Verbesserung der Rückübernahme: Unterstützung der Herkunftsländer bei der Identifikation ihrer Staatsangehörigen in Transitländern, um sie mit Ersatzreisepapieren auszustatten und wieder aufzunehmen.
-
Ausbau und Stärkung der internationalen polizeilichen Zusammenarbeit:
•Ausbau des Verbindungsbeamten-Netzwerkes der Bundespolizei in den Herkunfts- und Transitländern. Dadurch soll die direkte Kommunikation mit den Herkunftsländern zur Verhinderung von illegaler Migration verbessert werden.
•Effektivierung des Engagements der internationalen Gemeinschaft: Weiterentwicklung der zivilen VN- und EU-Polizei-Missionen in Herkunfts- und Transitländern zur Stabilisierung der Sicherheitslage in betroffenen Staaten,
•Beteiligung an internationalen Einsätzen: Bildung eines Personalpools zum Ausbau der deutschen Beteiligung an internationalen Polizeieinsätzen und somit Erleichterung der Entsendung in Auslandseinsätze und
•Erweiterung der Finanzausstattung durch:
•Deutliche Erhöhung des BMI Haushaltstitels für bilaterale Maßnahmen der polizeilichen Ausbildungs- und Ausstattungshilfe auf 6 Mio. € (zuzüglich 0,5 Mio. € jährlich als Sondertatbestand bis 2020) in den Herkunfts- und Transitländern zur Stärkung der dortigen Sicherheitsbehörden und Förderung eines wirksamen Grenzmanagements sowie
•Schaffung eines neuen BMI Haushaltstitels als Anteil aus den Ertüchtigungsmitteln des Auswärtigen Amtes (AA) zur flexiblen Verwendung im polizeilichen Kapazitätsaufbau in Drittstaaten (z. B. IT Projekte im ldentitätsmanagement, lnterpolprojekte, Grenzprojekte in Herkunfts- und Transitstaaten).
II. Handlungsfeld Transitländer
Politische Ziele
Wir wollen auch die Transitländer illegaler Migration bei der Stabilisierung ihrer politischen Lage unterstützen, insbesondere Nordafrika und die Sahel- Region, Libyen, ägypten, Jordanien, Libanon und Türkei. Dafür wollen wir in diesen Ländern bei der kurzfristigen Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen helfen, die Infrastruktur aufnehmender Gemeinden unterstützen und zugleich in mittel und langfristige Zukunftsperspektiven investieren. Darüber hinaus wollen wir die zivile Sicherheit stärken und bei einem wirksamen Grenzmanagement unterstützen. Illegale Migration und Schleuserkriminalität wollen wir gemeinsam bekämpfen sowie die freiwillige Rückkehr durch lOM und UNHCR unterstützen. Die Zusammenarbeit mit den Transitländern muss ausgebaut werden.
Maßnahmen
-
Einrichtung von sog. „Sicheren Orten“: Zur Verhinderung weiterer Flucht- und Migrationsbewegungen, Stärkung der Aufnahmekapazitäten sowie Verbesserung der Aufnahmebedingungen, insbesondere in Regionen im Umfeld von Konfliktherden durch die Errichtung von Sicheren Orten in:
•Nordafrika (zur Rückführung von im Mittelmeer aufgegriffenen Flüchtlingen) und
•Sahel-Region (als Anlaufstelle für Flüchtlinge in Konfliktregionen) unterstützt durch die EU bzw. der Völkergemeinschaft Dabei Gewährleistung einer robusten Sicherung dieser Orte sowie Erwartungsmanagement hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Weiterreise nach Europa, Ermöglichung der Rückführung und Resettlement aus diesen. Die Aufnahme über Resettlement wäre abhängig von den Gesamtzugangszahlen nach Deutschland. -
Aktivierung von EU-Geldern für Konfliktherde: Erhöhung der Finanzausstattung des EU-Afrika Trust Fonds (Maßnahmenplan der EU für Stabilität und der Bekämpfung der Fluchtursachen in Afrika) im Rahmen der Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU für den Zeitraum von 2020 bis 2027.
-
Aufklärung über Fluchtfolgen: Durchführung zielgerichteter Aufklärungsarbeit (Einrichtung weiterer Rückkehrzentren über Agadez I Niger hinaus) zur Verdeutlichung der Chancenlosigkeit illegaler Migration.
-
Schulung im Grenzmanagement Unterstützung von internationalen Schulungseinrichtungen für Grenzpolizisten (z.B. College Sahelien de Securite (CSS) in den G5 Staaten) in der Sahel-Region zur Förde rung eines wirksamen Grenzmanagements.
-
Finanzielle Unterstützung von Transitländern: Unterstützung der Haupttransitländer bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen einschließlich der aufnehmenden Gemeinden.
-
Kapazitätsaufbau in Transitländern: Unterstützung von Maßnahmen zum asyl- und migrationsbezogenen Kapazitätsaufbau in Transitländern.
-
„Nordafrikastrategie“: Fortentwicklung der sog. Nordafrikastrategie als Instrument der umfassenden Analyse und strategischen Planung von Maßnahmen des BMI für die Region Nordafrika und die angrenzende SahelRegion.
III. Handlungsfeld Europäische Union
Politische Ziele
Wir wollen eine effektive Steuerung von Migration in der Europäischen Union. Das können wir nur durch vertiefte Zusammenarbeit erreichen. Sicherheit beginnt an den Grenzen . Wir wollen daher den Außengrenzschutz verbessern. Wir streben die Schaffung eines funktionierenden Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) einschließlich Dublin-Mechanismus an. Wir wollen eine verlässlich e und umfassende Zusammenarbeit und Kommunikation der Europäischen Union mit den Herkunfts- und Transitländern illegaler Migration. Je weniger das gemeinsame europäische Asylsystem leiste n kann, desto mehr gewinnen nationale Maßnahmen und ihre Wirksamkeit an Bedeutung.
Maßnahmen
-
Stärkung von Frontex:
•Personelle und geografische Ausweitung der Einsätze,
•Aufbau einer eigenen operativen Einsatzeinheit im Frontex-Hauptquartier sowie Beschaffung zusätzlicher Frontex-eigener Einsatzmittel (z.B. Streifenfahrzeuge, Wärmebildgeräte),
•Entsendung weiterer Frontex-Verbindungsbeamter in Drittstaaten,
•zügiger Ausbau der operativen Zusammenarbeit, weitere übungen des Frontex-Soforteinsatzpools (SEP) an besonders belasteten Grenzabschnitten sowie weiterer personeller Aufwuchs des SEP und
•Senkung der Anforderungen für Einsatz des SEP durch erforderliche Rechtsänderungen auf EU-Ebene. -
Europäische Grenzpolizei: Ausbau von Frontex zu einer „Europäischen Grenzpolizei“ unter grundsätzlicher Wahrung der Souveränität und Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für den Schutz der eigenen Landesgrenzen.
-
Gemeinsames Europäisches Asylsystem: Schaffung eines effizienten, krisenfesten und solidarischen Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) samt Optimierung der Dublin-Verordnung (Dublin-VO). Nachdrücklicher Einsatz des BMI für:
•Schnelle Asylverfahren nach EU-weit einheitlichen Standards sowie für die Angleichung der Aufnahmebedingungen und Asylleistungen in den Mitgliedstaaten,
•Bekämpfung von Asylmissbrauch und Sekundärmigration (u. a. durch Leistungsabsenkung bei Aufenthalt im unzuständigen Mitgliedstaat) und
•klare Verantwortlichkeiten und effiziente Verfahren sowie faire Lastenteilung zwischen allen Mitgliedstaaten im Rahmen der Vorgaben der Dublin-VO, einschließlich einer solidarischen Verteilung von Schutzbedürftigen im Krisenfall, ohne die Staaten mit Außengrenze von ihrer Verantwortung freizustellen. -
Einhaltung der bestehenden Dublin-VO: Einforderung der konsequenten Einhaltung der Dublin-VO durch alle Mitgliedstaaten der EU und Intensivierung der Gespräche mit diesen zur Erhöhung der Überstellungszahlen von Asylbewerbern in die zuständigen Mitgliedstaaten; andernfalls Ergreifen innerstaatlicher Maßnahm en zur Steigerung der Effizienz bei Dublinüberstellungen, insbesondere bei erneuter illegaler Rückkehr nach Deutschland.
-
Festigung der Strukturen an der Außengrenze: Unterstützung der Erstaufnahmezentren in Italien und Griechenland (Hotspots) durch ausreichend Personal der Mitgliedstaaten. Ausweitung des Hotspot-Konzepts in Italien.
-
Entwicklung eines Standardmodells für europäische Erstaufnahmeeinrichtungen: Erarbeitung einer deutschen Initiative gegenüber der EU-Kommission zur Entwicklung eines Hotspot-Standardmodells. Dadurch Gewährleistung der übertragbarkeit auf andere Regionen im Bedarfsfall.
-
Verbesserung der Unterbringungsbedingungen in Griechenland: Aktivierung von EU-Hilfen für Griechenland zur Verbesserung der Unterbringungseinrichtungen auf den Inseln und zur Verhinderung von Transfers auf das Festland.
-
EU-Türkei Erklärung: Hinwirken auf eine konsequente Umsetzung der EU Türkei Erklärung gemeinsam mit der EU-Kommission, wonach Schutzsuchende, die die Türkei als Transitland genutzt haben und auf den griechischen Inseln erstmals die EU betreten haben, wieder in die Türkei zurückgeführt werden sollen. Dafür Aufnahme von syrischen Staatsangehörigen aus der Türkei in die EU (1:1-Mechanismus).
IV. Handlungsfeld Inland / national
Binnengrenzen / Schengen
Politische Ziele
Wir wollen zurück zu einem Schengen-Raum ohne Binnengrenzkontrollen. Das setzt insbesondere einen wirksamen Außengrenzschutz und ein funktionierendes Dublin-System voraus. Wir wollen die nationale Handlungsfreiheit für die vorübergehende Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen in einer nationalen Bedrohungslage im aktuellen EU -Gesetzgebungsverfahren zum Schengener Grenzkodex stärken.
Maßnahmen
- Verbesserte Grenzkontrollen an der Schengen-Außengrenze: Schnelle Einführung des Europäischen Ein- und Ausreiseregisters (Entry-Exit System) mit dem Ein- und Ausreisen von Drittstaatsangehörigen sowie deren biometrische Merkmale an der Grenze künftig elektronisch erfasst und gespeichert werden sowie d es Europäischen Einreise-Registrierungs- und
Autorisierungssystem (ETIAS), durch das bereits vor Abreise in dem Drittstaat eine Genehmigung als Voraussetzung für die Einreise erteilt werden muss .
-
Binnengrenzkontrollen:
•Durchführung von vorübergehenden Binnengrenzkontrollen nach Schengener Grenzkodex (SGK) im erforderlichen Umfang. Die aktuelle Anordnung gilt für die deutsch-österreichische Landgrenze bis November 2018.
•Im Rahmen durchgeführter Binnengrenzkontrollen erfolgen wie bisher Zurückweisungen, wenn die Einreisevoraussetzungen d es SGK nicht erfüllt sind (z. B. fehlendes Grenzübertrittsdokument oder Visum). Inzwischen werden auch Personen zurückgewiesen, gegen die ein Einreise- oder Aufenthaltsverbot für Deutschland besteht, ungeachtet der Frage, ob sie ein Asylgesuch stellen. Dies gilt auch für Personen, die bereits an andere Mitgliedsstaaten überstellt worden sind und versuchen nach Deutschland zurückzukehren.
•Künftig ist auch die Zurückweisung von Schutzsuchenden beabsichtigt, wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedstaat bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind.
•Wie mit dem Grenzregime weiter zu verfahren ist, muss im Lichte der kurzfristig zu erwartenden Ergebnisse der Reformbestrebungen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) entschieden werden. -
Intensive Schleierfahndung: Entwicklung von Maßnahmen unterhalb der Schwelle von vorübergehenden Binnengrenzkontrollen gemäß SGK, die ein flexibles polizeiliches Agieren an allen deutschen Landgrenzen, einschließlich temporärer Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs durch die Bundespolizei beinhalten und damit aktiven Beitrag zur Verhinderung der illegalen Migration und der Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität leisten.
-
Ausbau der polizeilichen Zusammenarbeit: Intensivierung der Kooperation zwischen der Bundespolizei und den Polizeien der Länder sowie den Polizei und Grenzbehörden der Nachbarstaaten, ggf. Durchführung von Modellprojekten.
-
Stärkung der Aufgabe Grenzschutz: Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei für die Verhinderung und Unterbindung der unerlaubten Einreise auch für bedeutende Verkehrswege im Inland und der Zuständigkeit für die Aufenthaltsbeendigung.
-
Infrastrukturelle Vorsorge: Ausbau der flexiblen Kontroll- und Bearbeitungsinfrastruktur sowie der Ausstattung der Bundespolizei für (auch längerfristige) mobile Kontroll- und Fahndungsmaßnahmen in Grenznähe.
Asyl- und ausländerrechtliche Verfahren
Politische Ziele
Wir wollen die Effizienz, Geschwindigkeit und Qualität von Asylverfahren steigern. Wir müssen wissen, wer sich in unserem Land aufhält. Und wir müssen wissen, wo sich die Antragsteller für die Dauer ihres Asylverfahrens aufhalten. Wir wollen nicht, dass sich abgelehnte Asylbewerber dem Rückführungsverfahren entziehen können. Wir wollen Fehlanreize für die Stellung eines Asylantrages in Deutschland beseitigen. Wir wollen die asyl- und ausländerrechtlichen Mitwirkungspflichten verbindlicher gestalten und streben eine bedarfsorientierte Steuerung der Fachkräftezuwanderung an. Alles dies erfordert eine Reform bei der Organisation der Asylbehörden und bei der Gestaltung der Asylverfahren.
Maßnahmen
-
Optimierung des Asylverfahrens: Einrichtung von Ankunfts-, Entscheidungs und Rückführungszentren (AnkER-Zentren) als moderne Dienstleistungsbehörden sowie Umsetzung gemeinsam mit den Bundesländern. Schnelle, effiziente und sichere Asylverfahren durch Bündelung von Kompetenzen von Bund, Ländern und Kommunen. Der entscheidende Vorteil der AnkER-Zentren ist, dass künftig eine Verteilung der Antragsteller auf die Städte und Gemeinden erst erfolgt, wenn ihr Schutzstatus positiv festgestellt ist. Aufgaben und Verfahren der AnkER Zentren sind im Koalitionsvertrag konkret und für die Parteien der Koalition verbindlich beschrieben. Im Einzelnen:
•ln AnkER-Zentren: Präsenz und Zusammenarbeit aller am Asylverfahren beteiligten Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, d. h. insbesondere BAMF, BA, Aufnahmeeinrichtungen der Länder, Ausländerbehörden und Jugendämter. Möglichst auch Präsenz des zuständigen Verwaltungsgerichts vor Ort, um die verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren weiter zu beschleunigen,
•Durchführung des gesamten Asylverfahrens in AnkER-Zentren von Antragstellung bis zur Asylentscheidung, einschließlich Rückkehrberatung, freiwilliger Rückkehr oder Rückführung. Dort auch generelle Altersfeststellung bei Zweifelsfällen.
•Aufenthaltszeiten für Menschen in den Einrichtungen so kurz wie möglich. Neben Verfahren im BAMF sind die Zeiträume bis zum Vorliegen verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in Eil- und Hauptsacheverfahren zu verkürzen. Verwaltungsgerichte müssen schnellstmöglich entscheiden.
•Wohnsitznahmepflicht für Antragsteller in AnkER-Zentren und Aufenthaltspflicht im Bezirk der unteren Ausländerbehörde (Voraussetzung für den Erhalt von Sozialleistungen) bis max. 18 Monate bzw. 6 Monate für Familien,
•konsequenter Vorrang von Sachleistungen vor Geldleistungen in den Zentren als Regelfall,
•Anwendung dieser Prinzipien auch auf die in den Zentren untergebrachten Antragsteller, für die ein Dublin-Verfahren läuft,
•unmittelbare Durchsetzung der Ausreisepflicht aus den AnkER-Zentren nach bestandskräftigem Abschluss des erfolglosen Asylverfahrens und
•stärkere Einbindung der Bundespolizei bei Rückführungen und Dublinüberstellungen auf dem Luftweg; hierzu ggf. personelle Verstärkung der Bundespolizei für die RückführungsbegIeitung.
•über die Fragen der konkreten Ausgestaltung der AnkER-Zentren sowie der Zuständigkeit und Trägerschaft werden Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern getroffen.
•Beginn des Betriebs der AnkER-Zentren auf der Grundlage des geltenden Rechts; spätere Entscheidung über ggf. erforderliche Rechtsänderungen im Lichte der dabei gesammelten Erfahrungen. -
Qualitätssteigerung im Asylverfahren:
•Einrichtung einer unabhängigen Stelle eines Beauftragten zur überwachung der Prozesse im BAMF und zur Qualitätssicherung der Asylentscheidungen,
•Durchsetzung des Mehr-Augen-Prinzips,
•Einführung eines Rotationsprinzips bei Mitarbeitern,
•bundesweite Kontrolle von Asylentscheidungen und Schutzquoten,
•lückenlose Sicherheitsprüfungen mit erkennungsdienstlicher Behandlung (im Einzelnen dazu Maßnahme 37),
•Gesundheitsprüfungen (im Einzelnen dazu Maßnahme 36) und
•umfassende Schulung und einheitliche Handlungsleitfäden für alle Verfahrensschritte, weitere Erprobung und flächen deckende Einführung von IT-Assistenzsystemen für Identifizierungszwecke durch BAMF. -
Konsequente Prüfung d es Wegfalls der Schutzberechtigung:
•Durchführung von Widerrufsverfahren bei rechtskräftig verurteilten Straftätern und bei Heimataufenthalten von Schutzberechtigten, die angegeben hatten, in ihrem Heimatland bedroht zu sein.
•Bei Heimataufenthalten während des laufenden Asylverfahrens gilt in diesen Fällen der Asylantrag als zurückgenommen.
•Hierzu Verbesserung des Datenaustausches zwischen Leistungs- und Ausländerbehörden mit BAMF, um ggf. sofort eine überprüfung einzuleiten.
•Daneben Einführung einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht der Schutzberechtigten im Widerrufsverfahren.