Gedanken zum Jahreswechsel

In diesen Tagen macht sich jeder Gedanken zum Jahresende. Die folgenden Zeilen sind eher Gedanken zu zwei „Jahresenden“ und dabei geht es um Demokratie in Bewegung.
In wenigen Wochen wird DiB drei Jahre alt und da bietet sich der kommende Jahreswechsel für einen Rundumblick an.

Das Jahr 2017 begann für mich erst so richtig mit einer Mail, in der zur Unterstützung einer Parteigründung aufgerufen wurde. Ich schaute auf die Grundsätze: Demokratisch, Gerecht, Weltoffen, Zukunftsorientiert. Unabhängig und transparent sollte es auch sein, ich entdeckte sofort eine Vielfalts- und eine Frauenquote.
Das alles klar und ohne wenn und aber.
Politisch aktiv war ich mein Leben lang, aber eine Partei konnte bis dahin nie meinen Ansprüchen genügen. Zusätzlich entdeckte ich noch eine umfassende Möglichkeit einer Politik gestaltenden innerparteilichen Teilhabe. Ich habe nicht gezögert und mich für eine Mitgliedschaft entschieden.

Ich war begeistert, das politische Herz brannte lichterloh. Die Gründung in Hessen habe ich miterlebt, nur zwei Monate später fand der Bundesparteitag 2017 in Köln statt. Der sorgte bei allen die da waren, für einen kräftigen Schub. Mehr als 300 Menschen auf der gleichen politischen und menschlichen „Wellenlänge“ erlebt man nicht alle Tage. Das kann mir, uns allen, niemand nehmen. Ein Geschenk, so viele tolle Menschen kennenzulernen.
Zu den meisten habe ich Heute noch mehr oder weniger Kontakt. Auch wenn wir uns nur einmal im Jahr treffen ist das immer noch und immer wieder eine große Freude.

Ein klein wenig Mathematik und Marketingwissen hätte uns an der Stelle beschäftigen müssen. Fast 100.000 Menschen haben die Gründung von Demokratie in Bewegung mit einem Mausklick gewollt. Die „Social Media“ Expert*innen flüstern da immer von 6% Aktivierung. Das wären dann 6.000 Mitglieder zum Start gewesen. Ich kenne das Spiel aus eigener Erfahrung und sage immer: 1% ist saugut. Das wären dann 1.000 Mitglieder beim Start gewesen. Tatsächlich waren (und sind) es weniger als 0,5%, nämlich gut vierhundert.

Ich und Ihr alle habt fröhlich und von den Kernzielen überzeugt weiter gemacht. Ab in den Bundestagswahlkampf, Unterschriften sammeln, für die gemeinsamen DiB Ziele werben, Flyer verteilen, Plakate aufhängen, auf die Plätze dieses Landes gehen.
Dann kam das Wahlergebnis und das war sehr ernüchternd. Ich wusste jedoch aus vielen anderen politischen Aktionen, wie schwer so was ist und das man einen langen Atem braucht.

Wir in Hessen haben uns dann gleich in die Vorbereitung des Landtagswahlkampfes 2018 gemacht. Uns war klar, wir brauchen mitreissende Inhalte. Daran haben wir intensiv und hart gearbeitet. Schaut euch die Ergebnisse (https://bewegung.jetzt/partei/hessen/landtagswahl-2018/) noch mal an. Ich finde die immer noch gut, damit können wir weiterarbeiten.
In den Wahlkampf sind wir früh gestartet und hart gelandet. Die Euphorie ist spätestens seit dem Landtagswahlkampf nicht mehr so groß.

So schlich sich 2018 politisch leise davon, jedenfalls von DiB Seite aus betrachtet. Ich merkte aber auch, das viele DiB Mitglieder, die ich auch persönlich kenne, Zweifel haben, manche auch an aufgeben denken. Das verstehe ich, denn wenn die erste Euphorie vorbei ist und sich im harten Alltag nicht mal ein kleiner Erfolg einstellt, neigen wir alle eher zum Aufgeben.

An der Stelle begannen jedoch auch teilweise öffentlich ausgetragene Diskussionen über den „richtigen Weg“, der uns gemeinsam ans Ziel führen sollte. Mehr als einmal ging dabei der heißgeliebte „DiB-Spirit“ baden. Konstruktiv, wertschätzend und offen für alle Menschen und Ideen wollten wir sein. 2019 zeigte uns überdeutlich, das ist ein steiniger Weg. Schon in 2018 wurde das deutlich, überdeckt von der Hoffnung auf Europa. Da gab es, vielleicht zum letzten Mal, keine Prozenthürde. Die rechnerische Hürde von 100.000 Stimmen trauten wir uns noch ganz überzeugt zu. Gemeinsam mit DIEM25 gingen wir das an, die nötigen Unterschriften kamen schnell zusammen. Das Ergebnis der Wahl zum Europäischen Parlament war eine übergroße Ernüchterung. Unser Stimmenanteil war klitzeklein, das muss man anerkennen.

In der Zwischenzeit, und das dauert bis Heute an, brachen hinter den Kulissen nicht einer sondern eine ganze Reihe von Richtungs- und Verantwortungsdiskussionen los. Der gute DiB Geist wurde mehr als strapaziert, aktuell ist er auf Fruchtfliegengröße geschrumpft.

Nun klopft 2020 an die Tür. An Aufgeben denke ich keinesfalls. Ich bin sicher, wir werden gemeinsam die richtgen Schlüsse ziehen. Eine sehr wichtige Erkenntnis ist das wir alle sehr viel mehr auf unsere Mit-Menschen zu gehen müssen. Digitale Werbung für unsere Ideen bringt uns „Klicks“ und ein paar Geldspenden, aber mehr auch nicht. Tatsächlich brauchen wir wieder Begeisterung, die wir an potentielle Mitglieder herantragen können. Wir müssen einen neuen Weg finden, um uns auf Landesebene öfters persönlich zu treffen. Vielleicht sollten wir einen DiB Wandertisch zum Leben erwecken und uns reihum besuchen? Vor allem müssen wir den inhaltlichen Zugang zu neuen gesellschaftlichen Bewegungen öffnen.
Ich wünsche mir, das wir deutlich frecher formulieren, radikal aber konstruktiv. Das geht schon zusammen. Ich hoffe auch, das wir DiB-Mitglieder sehr viel mehr mit unseren gemeinsamen Grundsätzen und politischen Programmpunkten zu den Menschen gehen.
Wenn wir bei Wahlen einen nennenswerten Stimmenanteil bekommen wollen, brauchen wir viel mehr Mitglieder als wir haben. In Jena wurde der Startschuss für eine Mitgliederkampagne gegeben, davon wird bald mehr zu lesen und zu sehen sein.

Ich lade alle Mitglieder ein, sich wieder ein kleines bischen aktiver zu beteiligen. Für viele passive Mitglieder ist diese Partei leider noch zu klein. Im jetzigen Status brauchen wir direkte Ansprache und Überzeugung von unseren Werten und Inhalten.

Jetzt kommen aber erst mal Tage, an denen wir uns Zeit für die Familie und Freund*innen nehmen, wo wir selbst auch mal durchschnaufen und in uns gehen. Und dann kommt das neue Jahr 2020.

Darüber kann man lange nachdenken. Oder auch nicht. Ich halte es da lieber mit Udo Lindenberg, der sagte: „Wir denken nicht nach, wir denken vor!“

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen ein paar besinnliche Tage und eine rauschende und Böller-Raketenfreie Silvesternacht.
Klaus

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